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Foren­mit­glie­der

Sonnen­sturm: »Dort fand ich Menschen, die dieses innere Dunkel, das ich empfand, ebenso fühl­ten und mitein­an­der teilten…«

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Zum Mitle­sen:

Vor etwa 10 Jahren hörte ich zum ersten Mal in meinem Leben, dass es sowas wie ein Suizid­fo­rum über­haupt gibt. Ich war in einem Chat für Über­le­bende sexu­el­ler Gewalt aktiv und hatte dort eine Freun­din, die mir von ihrem Suizid-Chat erzählte. Ich war total skep­tisch, wollte sie über­zeu­gen, davon abzu­las­sen, weil es ihr bestimmt nicht gut täte.

Einer­seits wollte ich diese Freun­din schüt­zen und wohl auch ein biss­chen mich selbst, denn ich hatte durch Suizid schon einige wert­volle Menschen verlo­ren. Ande­rer­seits ging es mir selbst total dreckig. Jahre­lange Thera­pie, Klinik­auf­ent­halte, etc. Trotz verschie­de­ner Hilfen hatte ich das Gefühl, dass ich in dieser Welt, in diesem Leben nicht beste­hen kann. Ich fühlte mich zutiefst zerstört und unver­stan­den von den Menschen in meiner Umgebung.

Als die Bewäl­ti­gung des Alltags für mich kaum noch möglich war, begann ich, mich doch allmäh­lich in dem Suizid­fo­rum meiner Freun­din zu bewe­gen — mit ein biss­chen Neugierde und vor allem viel nega­ti­vem Gedan­ken­gut. Wovor ich zunächst diese Freun­din schüt­zen wollte, strebte ich nun für mich selbst an: Das endgül­tige Ende dieses grau­en­vol­len Lebens.

Inner­halb kurzer Zeit hatte ich mich dank des Forums für eine Suizid­me­thode entschie­den und ange­fan­gen, die nöti­gen Vorbe­rei­tun­gen zu tref­fen. Gleich­zei­tig verbrachte ich jeden Abend im Chat. Die Atmo­sphäre dort war düster, die ganze Aufma­chung dunkel mit den Farben schwarz und rot.

Dort fand ich Menschen, die dieses innere Dunkel, das ich empfand, ebenso fühl­ten und mitein­an­der teil­ten! Es war eine große Erleich­te­rung, dass ich mich nicht mehr stän­dig verste­cken musste — hatte ich doch gelernt, dass dieses extreme Dunkel etwas Böses, Krank­haf­tes ist, das man am besten nicht erwähnt. In diesem Chat durf­ten wir alle von ganzem Herzen jammern, uns selbst und die ande­ren bemit­lei­den ohne dass es jeman­dem komisch vorkam! Ich habe dort einige gute, tief gehende Gesprä­che geführt und hatte das Gefühl, ohne viele Worte verstan­den zu werden. Letz­te­res tat sehr gut.

Dennoch wurde mir im Laufe der Monate, in denen ich tage– und näch­te­lang im Suizid-Forum unter­wegs war, schmerz­haft klar, dass ich keinen Weg aus meinem inne­ren Dunkel heraus­fin­den würde, wenn ich mich 24h nur noch in und mit diesem Dunkel beschäf­tige. Ich wollte meinen Fokus wieder mehr auf hellere Aspekte des Lebens lenken, begann eine neue Thera­pie und entschied, mich von dem Suizid­fo­rum zu lösen. Nur noch ab und an zog es mich noch zurück ins Forum oder in den Chat.

Ich kämpfte weiter in meinem Leben, es folg­ten neue Thera­pien, beruf­li­che Weiter­bil­dun­gen und mehr oder minder stabile soziale Kontakte in meiner Umge­bung. Das Dunkel in meinem Inne­ren blieb beste­hen, aber weil ich mich auch mit ande­ren Dingen beschäf­tigte, bekam es nur wenige Male so viel Macht, dass ich ernst­haft an Suizid dachte.

Eines Abends begann ich über eine Such­ma­schine nach dem alten Suizid­chat zu suchen. Nicht, weil ich mich wieder dem Dunkel zuwen­den wollte, sondern eher, weil ich einige nette Menschen »von damals« wieder­fin­den wollte, an deren Begeg­nun­gen ich mich gern erin­nerte. Nach eini­gem Suchen fand ich manche dieser Menschen in einem ande­ren Suizid­chat wieder. Irgend­wie war dort alles ganz anders als in meinem frühe­ren Chat. Die Stim­mung war ange­nehm, teil­weise sogar heiter. Das gefiel mir und ich blieb.

Es werden Späße gemacht und wir spre­chen über Gott und die Welt in all ihren Facet­ten. Dass dazu auch dunkle, nega­tive Facet­ten gehö­ren, wird durch­aus thema­ti­siert. Nach wie vor darf jeder erzäh­len, wie mühsam das eigene Leben manch­mal ist, wie unver­stan­den man sich oft fühlt und dass das Dunkle etwas Vertrau­tes ist, von dem wir uns alle nicht komplett abwen­den können. Über Suizid darf gespro­chen werden, sogar über Metho­den, wobei ich sagen muss, dass die Metho­den in meinem jetzi­gen Chat nie ein großes Thema sind. Ich empfinde es als befrei­end, dass alle Themen, auch die dunk­len, wert­frei geäu­ßert werden dürfen.

Freunde und andere Menschen im Umfeld, die dieses Dunkel nicht so inten­siv in sich fühlen, reagie­ren schnell mit Angst oder Ableh­nung, wenn sie damit konfron­tiert werden. Im Chat ist das anders. Trotz dieser Frei­heit, trotz der Erlaub­nis, das Dunkle zu zeigen und anzu­spre­chen (oder viel­leicht gerade deshalb???), geht es die meiste Zeit eher lustig zu. Wir reden über Poli­tik, Reli­gion, Hobbies, Alko­hol, über Bezie­hun­gen, Träume, auch mal übers Wäsche waschen… Ein ziem­lich chao­ti­scher Haufen mehr oder minder kaput­ter Menschen trifft aufein­an­der und quatscht einfach.

Auch bei uns geht es nicht immer nur fried­lich zu. Da zickt auch mal jemand oder es wird gestrit­ten oder kontro­vers disku­tiert oder belei­digt wegge­lau­fen. Man kennt sich gut, weiß die Macken des ande­ren einzu­schät­zen und zu akzep­tie­ren. Es ist, als würde man alte Freunde bei einem Stamm­tisch tref­fen. Mit dem klei­nen Unter­schied, dass das tiefe Dunkel und auch der böse Suizid als Thema nieman­den in Unruhe versetzt. Alles hat seine Zeit und alles hat seinen Platz.

Marvin: »Suizid­fo­ren werden nicht verschwin­den, weil sie schlicht­weg gebraucht werden…«

Nach länge­rem Über­le­gen möchte ich auch ein paar Gedan­ken äußern. Ich gebe zu, dass ich äußerst miss­trau­isch bin, da ich in den über zehn, bald elf Jahren, die ich in den Foren bin, schon eini­ges an Hinter­häl­tig­kei­ten von Jour­na­lis­ten erlebt habe. Das mag sich nach Verfol­gungs­wahn anhö­ren, ist aber leider nichts als Erfahrung.

Ich befürchte, dass ein nicht-suizidaler Mensch nicht wirk­lich verste­hen kann, wie jemand tickt, der sich viel mit dem Tod und dem Herbei­füh­ren des eige­nen Endes beschäf­tigt. Dass Suizi­da­li­tät nicht immer nur akut auftritt, sondern sehr wohl auch chro­nisch sein kann, ohne dass man jeden zwei­ten Tag ein ande­res Hochhaus-Dach besucht, sieht man recht gut bei mir. Mein letz­ter Versuch war als Jugend­li­cher, und das ist schon einige Jahre her. Ich denke, wer selbst mit beiden Beinen im Leben steht, für den muss der Gedanke, sich zu töten, etwas sehr Exoti­sches, Fernes sein. Eines ist sicher: Die Poli­tik kann noch so sehr heucheln, die Medien noch so sehr jammern — die Suizid­fo­ren werden nicht verschwin­den, weil sie schlicht­weg gebraucht werden, weil eine Nach­frage da ist.

Kein Mensch hat im realen Leben die Möglich­keit über eigene Suizid­ge­dan­ken zu reden, ohne die Gefahr zu laufen, sich zu isolie­ren. Es ist eben nichts, was man fröh­lich nach dem drit­ten Bier in der Kneipe anspricht. Und es ist gesell­schaft­lich geäch­tet. Nicht in der Hinsicht, dass man es für krimi­nell halten würde. Eher schlim­mer. Man hält, siehe unsere Rechts­spre­chung, eine Person, die ster­ben möchte, grund­sätz­lich für nicht Herr seiner Sinne und damit für behand­lungs­be­dürf­tig. Lehnt die Person dies ab, gilt sie als nicht einsich­tig und darf — Rechts­staat hin oder her — gegen ihren Willen einge­sperrt und mit Medi­ka­men­ten behan­delt werden, deren Neben­wir­kun­gen wir uns besser nicht ausma­len wollen. In Deutsch­land darf ja selbst der schwer körper­lich Kranke seinem Leben kein Ende setzen.

Ein weite­rer Vorwurf ist, dass die bösen Menschen in den bösen Forum die armen Jugend­li­chen zum Suizid trei­ben. Dies ist schon anhand aller Statis­ti­ken ein Unsinn, da die Zahl der jugend­li­chen Selbst­tö­tun­gen in Deutsch­land rück­läu­fig ist. Wäre das Inter­net nebst Foren so böse wie es die Presse behaup­tet, müsste die Zahl ja immens ange­stie­gen sein.

Auffäl­lig ist auch immer, dass es heißt, die Leute könn­ten noch leben, hätten sie sich thera­peu­ti­sche Hilfe geholt. Die Leute, die ich kannte und die gestor­ben sind, hatten bis auf sehr wenige Ausnah­men alle Thera­pien hinter sich oder waren dabei. Hinter­her fragt niemand, ob die Thera­pie schlecht war oder der Thera­peut unfä­hig. Nein, die Foren waren schuld.

Zu mir selbst kann ich sagen: Die Foren sind für mich eine Art Stamm­tisch, nur dass die Themen etwas wich­ti­ger sind. Ich habe dort wunder­bare Menschen kennen gelernt. Menschen, die im alltäg­li­chen Leben nicht vorkom­men, die niemals in der BILD stehen würden wie Bohlen und all die ande­ren Kotz­bro­cken, es sei denn, sie würden sich auf spek­ta­ku­läre Weise das Leben nehmen. Menschen, die in unse­rer reinen Leis­tungs­ge­sell­schaft keinen Platz finden und ihn auch nicht haben. Die aber wenigs­tens in den Foren mal zu Wort kommen und erfah­ren, dass sie nicht ganz alleine sind. Menschen, die Hefti­ges erlebt haben. Und wie es eben so ist, wenn sich Ausge­sto­ßene finden, entsteht eine bestimmte Atmo­sphäre. Nicht immer nur eitel Sonnen­schein, das keines­wegs. Wer suizi­dal ist, beweist, dass er über seine Lage nach­den­ken kann.

Blue­crash: »Auf Anhieb könnte ich 5 Metho­den nennen und beschrei­ben, womit man schnell, schmerz­los, ethisch gerecht ster­ben kann, wenn man es möchte…«

Persön­lich bin ich der Meinung, dass Suizid­fo­ren einen leiden­den Menschen auffan­gen können, da in diesen Foren meist Gleich­ge­sinnte anwe­send sind, welche mit Lebens­hilfe, Verständ­nis, vor allem psycho­lo­gisch die letzte Hilfe darstel­len, da die so genannte tele­fo­ni­sche Seel­sorge oder psych­ia­tri­sche Klini­ken den Zustand des Betrof­fe­nen sogar noch verschlech­tern können.

In Suizid­fo­ren wird klar erkannt und unter­schie­den zwischen ›willst du wiklich nicht mehr leben‹ und oder ›willst Du nur SO nicht mehr weiter­le­ben.‹ Trifft Letz­te­res zu, wird Hilfe­stel­lung in den Suizid­fo­ren gege­ben, Probleme bespro­chen, Ratschläge gege­ben was und wie man die Lebens­si­tua­tion ändern kann, um neuen Lebens­mut zu erlan­gen. Man kann es durch­aus als eine Selbst­hil­fe­gruppe bezeich­nen. Nur halt online und völlig anonym, ohne feste Treff­punkt­zei­ten — und auf jeden Fall sinn­vol­ler als wochen­lange Thera­pie in der Klapse.

Ich kenne einige, welche nur durch die Suizid­fo­ren immer noch Leben sind. Sei es aus Angst vor dem letz­ten Schritt, weil sie doch wieder Lebens­wil­len haben oder weil sie sich unsi­cher sind, ob sie nach dem Suizid­ver­such nicht doch wieder in einer Klapse aufwa­chen und den Peini­gern in Weiß wieder mona­te­lang ausge­lie­fert sind. Diese Angst ist verständ­lich, da es den Pati­en­ten nach Entlas­sung aus einer Klinik nur noch schlech­ter ergeht. Der Pati­ent erkennt durch­aus, dass ihm dort nicht gehol­fen wird und spielt den Ärzten etwas vor, was sie sehen oder hören wollen, mit dem Ziel so schnell wie möglich dort wieder raus zu kommen. 75% der Leute mit denen ich online oder im Real Life Kontakt hatte/habe, bestä­ti­gen dies.

Ich persön­lich bin seit 10 Jahre in den Foren vertre­ten, habe auch schon einen Suizid­ver­such hinter mir. Bin schwer erkrankt (orga­nisch bedingt). Bei mir war es Unwis­sen, wieso der Suizid nicht geklappt hat. Durch die Suizid­fo­ren weiß ich inzwi­schen genau, welche Gifte sinn­voll sind, welche sinn­los sind oder gar einen schmerz­haf­ten Todes­kampf mit sich brin­gen, wo man sie herbe­kommt oder wie man sie rezept­frei im Ausland online bestel­len kann und welche bitter­bö­sen Folgen ein nicht durch­ge­plan­ter Suizid­ver­such haben kann.

Auf Anhieb könnte ich 5 Metho­den nennen und beschrei­ben, womit man schnell, schmerz­los, ethisch gerecht ster­ben kann, wenn man es möchte. Dieses Recht sollte uns keiner wegneh­men dürfen, schließ­lich ist alles vergäng­lich, verblasst, verschwin­det, wird verges­sen, ist vergangen.

Am Schluss muss jeder selber entschei­den wie er leben oder ster­ben möchte. Es ist ein Grund­recht des Menschen. Bisher konnte mir z.B. kein Psych­ia­ter erklä­ren, was an dem Tod schlecht oder böse oder nicht normal sein soll. Es wird nur immer darauf verwie­sen, dass Selbst­tö­tung / Selbst­ster­ben nicht gutge­hei­ßen wird. Dass im Endef­fekt der Tod auf uns alle wartet und somit total der Norm entspricht, wird gerne totge­schwie­gen seitens unse­rer Gesellschaft.

Schluss­end­lich wird aber der ›Kampf‹ zwischen Suizid­fo­ren und den Foren-Verfechtern nie ein einver­nehm­li­ches Ende finden. Viel­leicht nach weite­ren 2000 Jahren der Entwick­lung und Evolu­tion. Aber dies werden wir nicht mehr erle­ben — viel­leicht auch besser so.

Steffi: »Nicht irgend­wel­che böswil­li­gen Foren­mo­de­ra­to­ren haben diese Foren erschaf­fen — aus Spaß an der Freude — sondern die Gesell­schaft selber…«

Suizid­fo­ren sind nicht von heute auf morgen aus der Erde geschos­sen und nicht irgend­wel­che böswil­li­gen Foren­mo­de­ra­to­ren haben diese Foren erschaf­fen — aus Spaß an der Freude — sondern die Gesell­schaft selber, weil es (mitt­ler­weile) einfach eine Nach­frage hier­für gibt.

Denn Suizi­da­li­tät ist ein Fehler im System der Gesell­schaft und Fehler sind nicht erwünscht und werden zur Not zwangs­weise korri­giert mittels unse­rer feinen staat­li­chen Einrich­tun­gen — das sprich­wört­li­che ›neben der Spur laufen‹ passt hier wie die Faust aufs Auge.

Unsere selbst­ge­rechte, heuchlerisch-pharisäerhafte und pseu­dochrist­li­che endzeit­li­che Ellen­bo­gen­ge­sell­schaft treibt Schwa­che in den Tod und entzieht ihnen zugleich zuse­hends die Mittel für einen huma­nen Suizid.

Die Perso­nen, welche am meis­ten über Suizid­fo­ren schimp­fen, soll­ten in der Regel lieber still sein, anstatt die Reali­tät aus Not und letz­tes Mittel verfrem­det oder heil darstel­len zu wollen. Ergo: Perso­nen, welche die Foren offline sehen wollen, sind gleich­zei­tig dafür verant­wort­lich, dass jene über­haupt online gegan­gen sind.

ident.code.missing: »Zu wissen, wie man ster­ben will, und dass man es jeder­zeit tun könnte, hilft manch­mal besser über Schwie­rig­kei­ten im Leben hinweg, als alles andere…«

Allge­mein würde ich sagen, ich bin zum größ­ten Teil ein Befür­wor­ter der Foren. Sie sind ja nicht aus heite­rem Himmel entstan­den, sondern weil Menschen das Bedürf­nis nach Austausch über das Thema Suizid hatten, auch über Metho­den, und das ohne Angst haben zu müssen, für verrückt erklärt zu werden, in der Psych­ia­trie zu landen, oder je nach­dem, viel­leicht belä­chelt zu werden. Dass sich das in der Praxis zum Teil anders entwi­ckelt hat, dass zum Teil sehr viel Miss­trauen herrscht, dass auch in den Foren Menschen, Meinun­gen, Themen ausge­grenzt werden, geht aus meiner Sicht gerade auf das Konto derje­ni­gen, denen die Exis­tenz der Foren ein Dorn im Auge ist. So sind zum Teil nur noch einge­schwo­rene Gemein­schaf­ten vorhan­den, die sich Außen­ste­hen­den über­haupt nicht mehr öffnen.

Ich habe zwar Verständ­nis für einige Argu­mente der Foren­geg­ner, aber nicht dafür, dass die Gegner ihre Meinung für das einzig Wahre halten, und sich über die Frei­heit ande­rer hinweg zu setzen versu­chen. Das betrifft ja leider nicht nur die Suizid­fo­ren, sondern auch andere Berei­che. Ich vertrete die Auffas­sung, leben und leben lassen, und in Bezug auf die Suizid­fo­ren dann auch ster­ben und ster­ben lassen. Vor allem wenn man nicht wirk­lich helfen kann. Das nackte (Über-)Leben eines Menschen ist für mich NICHT das höchste Gut, das unter allen Umstän­den beschützt werden muss. Und ich bin sicher, die meis­ten Suizi­den­ten suchen lange vorher und immer wieder nach ande­ren Lösun­gen für ihre Probleme. Die wenigs­ten töten sich aus einer vorüber­ge­hen­den Laune heraus.

Und selbst wenn jemand Suizid als etwas schreck­lich Schlim­mes ansieht, fallen mir da jede Menge Argu­mente pro Suifo­ren ein.

  • Seit es die Foren gibt, haben hier einige User Kümme­rung oder Ablen­kung, viel­leicht sogar Freunde gefun­den, und sind erst dadurch von Suizid­plä­nen abgerückt.
  • Es gibt immer wieder User, die eine roman­ti­sche, verklärte, einfa­che Vorstel­lung vom Frei­tod haben, und dank Metho­den­dis­kus­sion, dann erst erken­nen, dass das Ster­ben nicht nur schön und einfach ist. Durch diese Abschre­ckung werden sie dann wach und wenden sich wieder dem Leben zu.
  • Zu wissen, wie man ster­ben will, und dass man es jeder­zeit tun könnte, hilft manch­mal besser über Schwie­rig­kei­ten im Leben hinweg, als alles andere.



Welche Perso­nen­grup­pen sind es eigent­lich, die die Foren verteu­feln? Mir fallen drei ein.

  • Erstens, Ange­hö­rige von Fore­nu­sern die sich umge­bracht haben. Für diese hab ich natur­ge­mäß noch etwas Verständnis.
  • Zwei­tens, Thera­peu­ten, Psycho­lo­gen, Fach­ärzte. Wenn diese irgend­wann wirk­lich nennens­werte Hilfe und Lösun­gen für jede Art von psychi­schen Proble­men anbie­ten könn­ten und würden, dann, erst dann, könn­ten sie gerne bei dem Thema mitre­den! (Nein, ich mag sie kein biss­chen, die soge­nann­ten Fach­leute) Btw, Psycho­the­ra­pie zum Teil 1 Jahr Warte­zeit, und das für einmal die Woche 45 Minu­ten Gespräch…lächerlich.
  • Dritte Gruppe, ethische/religiöse Fana­ti­ker mit oder ohne Profi­lie­rungs­sucht. Diese Perso­nen könn­ten ihren Fana­tis­mus mal auf Themen lenken wie Leis­tungs– und Ellen­bo­gen­ge­sell­schaft, um sich grei­fende finan­zi­elle und emotio­nale Armut, usw. Viel­leicht sich mal in der Poli­tik versu­chen. Viel­leicht würden sie damit dem ein oder ande­ren Leben­den etwas Gutes tun.

Einzelne Zitate von Foren­mit­glie­dern

nobo­dy­se­cond
»Manche meinen, dass Suizid­fo­ren Menschen in ihrer Neigung zum irdi­schen Ende verstär­ken. Zumin­dest bei mir ist das Gegen­teil der Fall – ohne die Möglich­keit des kommu­ni­ka­ti­ven Austau­sches wäre ich schon lange nicht mehr unter den Leben­den. Klingt ein wenig förm­lich, im Klar­text meine ich, wir können über alles unter dem Schutz der Anony­mi­tät reden, über unsere Tiefen und Höhen, Schul­tern anbie­ten und auch anleh­nen, über Themen, die wir im realen leben nicht einmal ansatz­weise erwäh­nen würden. Ich habe alles daheim, um jeder­zeit lebt wohl zu sagen, doch das hab ich nun schon seit eini­gen Jahren herum­lie­gen.«


Melissa
»Nur weil man in solchen Foren surft, ist man doch nicht gleich gefähr­det. Ich habe ihm [ihrem Psych­ia­ter] erklärt, dass solche Foren eine gute Austausch­platt­form für Menschen mit psychi­schen Erkran­kun­gen darstel­len und dass man auch Gleich­ge­sinnte finden kann, die einen so akzep­tie­ren, wie man ist. […] Dieser Austausch tut mir persön­lich sehr gut.«


Rotkäpp­chen
»Also mir gings damals sehr schlecht, und ich war allein und einsam… Und da hab ich glaub ich nach Selbst­mord gegoo­gelt. Ich hab mir mehrere Foren ange­se­hen und mich für eines entschie­den. Ich bin mir nicht sicher ob mir das damals gehol­fen hat, in der Rück­schau hat es mich viel­leicht sogar eine Zeit­lang tiefer in den Sumpf gezo­gen. Selbst­ver­let­zen­des Verhal­ten und derglei­chen wirkte irgend­wie­wie verdammt verfüh­re­risch.«


Dark
»Suizid­fo­ren, man kann nicht ohne sie und man kann nicht mit ihnen. Ich bin kein Befür­wor­ter, ich bin kein Verfech­ter der Foren. Jeder so, wie er es für rich­tig hält, in Maßen. Sehe jedoch die Gefähr­dung bei den Heran­wach­sen­den. Zuviele, die noch grün (jung, ohne Lebens­er­fah­rung) sind, kommen in diese Foren, obwohl sie nur ihre Neugierde auf das unbe­kann­ten Tabu­thema Suizid befrie­di­gen möch­ten. Denn was verbo­ten ist, ist inter­es­sant und will ausge­reizt werden. Da erscheint Methode XY im Kindes– oder Jugend­al­ter ›cool‹ oder ›ich habs jeder­zeit unter Kontrolle‹ — Irrtum. Eigent­lich sollte jeder produk­tiv inner­halb des Staa­tes sein. Leider schafft es nicht jeder, leider sind manche krank, haben Verluste oder drehen sich in ihrer Sinn­lo­sig­keit im Kreis, haben aufge­hört zu kämp­fen. Für den Rest sollte es weiter­hin ein Tabu­thema blei­ben, der Unter­grund wirds danken.«


Ange­hö­rige

Eva_Hentrich
Eva Hentrich verlor 2002 ihre Toch­ter Jana durch Suizid. Die damals 21jährige Jana litt unter star­kem Liebes­kum­mer und zog sich immer mehr zurück. In einem Suizid­fo­rum im Inter­net lernte sie den 16jährigen Mario kennen. Wenige Monate später verab­re­de­ten sich die beiden und nahmen sich gemein­sam das Leben.

Janas Mutter erzählt, wie sie damals mit der Situa­tion umge­gan­gen ist und wie sie Suizid­fo­ren aus ihrer heuti­gen Sicht beurteilt.

Interview-Film mit Eva Hentrich


Foren­lei­tung

E-Mail der Foren­lei­tung eines contra-suizidalen Forums

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Zum Mitle­sen:

Unser Forum hat es sich zum Ziel gesetzt, Menschen vom Suizid abzu­hal­ten. Wir versu­chen, Menschen ein Stück weit in ihrer Not zu beglei­ten, damit es ihnen hoffent­lich gelingt, sich selbst in Ihrem Umfeld profes­sio­nelle Hilfe zu suchen und zu finden.

Suizi­dan­kün­di­gun­gen, Metho­den­dis­kus­sio­nen, Verab­re­dun­gen zum Suizid etc. sind nicht gestat­tet. User, die nach Metho­den fragen, werden bei uns verwarnt und die Diskus­sion unter­bun­den. Hält sich ein User gar nicht an die Regeln oder haben wir den Verdacht, dass er in persön­li­chen Nach­rich­ten Leute anfragt zum gemein­sa­mem Suizid, wird er gesperrt. Wir arbei­ten auch mit den Behör­den zusam­men, wenn Suizi­dan­kün­di­gun­gen oder andere Straf­ta­ten gepos­tet werden. Natür­lich können wir nicht alles über­prü­fen, da ja doch auch eine gewisse Anony­mi­tät herrscht.

Zu uns kommen viele, die mit Thera­pien schon diverse Erfah­run­gen haben, die sie weiter­ge­ben können. Andere haben noch nie fach­li­che, thera­peu­ti­sche Hilfe in Anspruch genom­men. Oftmals schaf­fen sie es nach eini­gem Austausch im Forum, sich in Ihrem »realen« Leben Hilfe zu suchen.

Hin und wieder gibt es auch Leute, die die Themen im Forum gar nicht ertra­gen. Menschen, die von jedem Schick­sal noch zusätz­lich runter­ge­ris­sen bzw. desta­bi­li­siert werden. Es ist wich­tig, solchen Menschen nahe­zu­le­gen, sich doch besser einen ande­ren Ort zu suchen, wo Sie sich Hilfe holen können z.B. in Einzelberatungen.


Fach­leute

Katja_Rauchfuss
Katja Rauch­fuß arbei­tet seit Abschluss ihres Studi­ums der Medi­en­wis­sen­schaf­ten bei jugendschutz.net. Dort ist sie für den Bereich sexu­el­ler Miss­brauch, Porno­gra­fie, Gewalt und Selbst­ge­fähr­dung im Inter­net zustän­dig.

jugendschutz.net kontrol­liert die Einhal­tung des Jugend­schut­zes im Inter­net zum Beispiel auf so genann­ten Pro-Ana-Seiten. Unter ande­rem liegt der Fokus auf pro-suizidalen Foren.

Inter­view mit Katja Rauch­fuß

Was für Arten von Suizid­fo­ren gibt es?

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Wie würden Sie die aktu­elle Lage in Deutsch­land einschät­zen? Über­wie­gen pro– oder contra-suizidale Foren?

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Welche mögli­chen Nach­teile sehen Sie bei prosui­zi­da­len Foren?

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Inwie­fern empfin­den Sie Metho­den­dis­kus­sio­nen als proble­ma­tisch?

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Wie verhält sich jugendschutz.net in Bezug auf Suizidforen?

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Was würden Sie Eltern raten, die mitbe­kom­men, dass ihr Kind in einem Suizid­fo­rum aktiv ist?

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Georg_Fiedler
Georg Fied­ler ist stell­ver­tre­ten­der Vorsit­zen­der und Spre­cher der Deut­schen Gesell­schaft für Suizid­prä­ven­tion und arbei­tet als stell­ver­tre­ten­der Leiter im Thera­pie­zen­trum für Suizid­ge­fähr­dete des Univer­si­täts­kli­ni­kums Hamburg-Eppendorf.

Seit vielen Jahren erforscht er unter ande­rem den Zusam­men­hang zwischen Suizi­da­li­tät und Inter­net, wobei er auch häufig mit dem Thema Suizid­fo­ren in Berüh­rung kommt.

Inter­view mit Georg Fied­ler

Wie würden Sie Suizid­fo­ren beschrei­ben?

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Wo sehen Sie Risi­ken und poten­zi­elle Nach­teile bei den Foren?

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Welche mögli­chen Vorteile sehen Sie für Suizidforenmitglieder?

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Was würden Sie empfeh­len, wie sollte man mit Suizid­fo­ren weiter­hin verfahren?

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