Chan­cen

Anfang der 2000er Jahre wurden Suizid­fo­ren fast ausschließ­lich nega­tiv beur­teilt. Mitt­ler­weile sind einige Suizid­ex­per­ten der Ansicht, dass viele Foren durch­aus auch stabi­li­sie­rende und sogar suizid­prä­ven­tive Aspekte beinhal­ten und deshalb für ihre Mitglie­der einen großen Vorteil darstel­len können. Inwie­weit das zutrifft, muss bei jedem Forum indi­vi­du­ell unter­sucht werden.

Folgende Chan­cen bestehen:

Möglich­keit des anony­men und größ­ten­teils unzen­sier­ten Austauschs

Durch die zumin­dest schein­bare Anony­mi­tät des Inter­nets könn­ten sich die Foren­mit­glie­der siche­rer und enthemm­ter fühlen, als in ihrem sons­ti­gen sozia­len Umfeld. Deswe­gen können sie sich freier und inten­si­ver über ihre Gefühle und Gedan­ken äußern.

Im Forum können Unter­hal­tun­gen über sämt­li­che Aspekte der Suizid­the­ma­tik geführt werden, ohne dass jemand als Außen­sei­ter betrach­tet wird, was im realen Leben durch­aus der Fall sein könnte. Suizi­dale Gedan­ken können auch ohne Angst vor einer Zwangs­ein­wei­sung geäu­ßert werden. Aus der selbst gewähl­ten Kommu­ni­ka­ti­ons­si­tua­tion können sich die Mitglie­der auch jeder­zeit wieder zurück­zie­hen, was ihnen eine gewisse Kontrolle verleiht.

Perso­nen in Krisen­si­tua­tio­nen haben rund um die Uhr die Möglich­keit, sich mit ihrer Suizi­da­li­tät ausein­an­der zu setzen und das mit zum Teil eben­falls Betroffenen.

Quel­len: Born 2005, Eichen­berg 2006, m. 2003

Durch­bre­chen der Isola­tion

Wie auch in den Studien deut­lich wird, sind viele Mitglie­der eines Suizid­fo­rums auf der Suche nach Gleich­ge­sinn­ten. Sie haben sich teil­weise völlig aus ihrem sozia­len Umfeld zurück­ge­zo­gen und nur noch unre­gel­mä­ßige Kontakte zu Fami­lie und Freunden.

Im Suizid­fo­rum erle­ben diese Perso­nen häufig ein Ende ihrer Isola­tion und finden sich unter vielen Gleich­ge­sinn­ten wieder. Dort werden sie und ihre Gedan­ken aner­kannt und sie erfah­ren Verständ­nis und Anteil­nahme. In vielen Foren empfin­den die Foren­mit­glie­der eine starke Verbun­den­heit unter­ein­an­der und ein ausge­präg­tes Wir-Gefühl.

Quel­len: Fied­ler 2003, Sasse 2009

Vermitt­lung einer contra-suizidalen Einstel­lung

Vor allem in contra-suizidalen Foren wird der Suizid nicht als einzige Lösung aner­kannt. Im Gegen­teil, oftmals versu­chen die emotio­nal stabi­le­ren Perso­nen, die labi­le­ren von ihren Suizid­ge­dan­ken abzu­brin­gen und deren Lebens­wil­len zu akti­vie­ren. Viele Gesprä­che drehen sich auch um mögli­che Hilfs­an­ge­bote.

Somit über­wiegt in solchen Foren eine suizid­ne­ga­tive Einstel­lung und es wird versucht, diese den Mitglie­dern nahezubringen.

Quelle: Fied­ler 2003

Emotio­nale Entlas­tung und Stabi­li­sie­rung

Ein Groß­teil der Gesprä­che handelt von Suizid: Gefühle, Phan­ta­sien, die womög­li­che Trauer der Ange­hö­ri­gen, die Gründe dafür und dage­gen, Vorbe­rei­tun­gen und die Durch­füh­rung und vieles mehr. Häufig wird allein durch die inten­sive Ausein­an­der­set­zung mit diesem Thema der Druck genom­men, eine suizi­dale Hand­lung durch­zu­füh­ren. Durch das Verfas­sen eines Beitrags könnte das Nach­las­sen der suizi­da­len Gedan­ken und eine zuneh­mende Stabi­li­sie­rung einer suizi­da­len Person erfolgen.

Im Gegen­satz zu manch ande­ren Hilfs­an­ge­bo­ten können diese Gesprä­che zu jeder Tages– und Nacht­zeit erfol­gen, genau dann, wenn sich eine Person in einer Notsi­tua­tion befin­det. Durch das Forum können suizi­dale Perso­nen versu­chen, sich selbst zu helfen.

Quelle: Fied­ler 2003

Hinweise auf Hilfs­an­ge­bote

Ratschläge in Suizid­fo­ren werden in vielen Fällen eher ange­nom­men, als Hilfs­an­ge­bote von ande­ren Perso­nen im sozia­len Umfeld, da man bei den Foren­mit­glie­dern die glei­che Betrof­fen­heit vermu­tet. Wenn Gesprächs­part­ner Thera­pien oder sons­tige Hilfe von außen empfeh­len, werden diese Tipps durch­aus in Betracht gezogen.

Auf Suizid­fo­ren, die von suizid­prä­ven­ti­ven Insti­tu­tio­nen gelei­tet werden, besteht für Exper­ten die Möglich­keit einer nied­rig­schwel­li­gen Einlei­tung von Behand­lun­gen.

Quel­len: Fied­ler 2003, m. 2003

Schnelle Hilfe in akuten Notfäl­len

Weil die Chance rela­tiv hoch ist, dass sich Mitglie­der des Forums in akuten Krisen­si­tua­tio­nen dort mittei­len, ist auch die Möglich­keit der schnel­len Inter­ven­tion gegeben.

Die Hilfe kann sowohl in Form von Zuwen­dung und Gesprächs­an­ge­bo­ten erfol­gen, als auch durch die Weiter­gabe der bekann­ten persön­li­chen Daten an die Poli­zei, um einen Suizid zu verhin­dern.

Quelle: Fied­ler 2003

Öffent­lich­keits­ar­beit und Entta­bui­sie­rung

Suizid­fo­ren können dazu beitra­gen, das häufig tot geschwie­gene Thema Suizid zu entta­bui­sie­ren. Dadurch, dass virtu­elle Räume geschaf­fen wurden, die sich haupt­säch­lich damit beschäf­ti­gen, wird dem Suizid ein Platz in unse­rer Gesell­schaft einge­räumt. Es wird gezeigt, dass das Thema als wich­tig erach­tet wird und man darüber spre­chen sollte.

Somit können Suizid­fo­ren helfen, Suizid­ge­fähr­de­ten Gehör zu verschaf­fen und die Öffent­lich­keit für dieses Thema zu sensi­bi­li­sie­ren. Man könnte Suizid­fo­ren sozu­sa­gen als ersten Schritt in die rich­tige Rich­tung ansehen.

Quel­len: Eichen­berg 2006, Fied­ler 2003